Verwendung von Baumwollzellstoffen für die Langzeitarchivierung?

15.12.2008
KLUG-CONSERVATION beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Entwicklung und Herstellung alterungsbeständiger Passepartout- und Museumskartons auf Basis der technologischen Grundlage der DIN ISO 9706.

Nur durch ständige Beobachtung der Veränderungen innerhalb der Papierindustrie ist es möglich, stets hochwertige, geeignete Papier- und Kartonqualitäten für eine dauerhafte, schadensfreie Lagerung herzustellen.

Änderungen und Weiterentwicklungen bei der Papierherstellung wie:
• die zunehmende Verwendung von synthetischen Kalziumkarbonaten (PCC) anstelle des natürlichen Karbonats (Kreide) (GCC)
• der Einsatz von sortenrein gesammelten Recyclingfasern (DIP = DeInked Pulp)
• Veränderungen bei der Abwasserklärung
• Verwendung von Aluminiumsulfat Al2(SO4)3 auch bei der neutralen Leimung.

sind nur einige Entwicklungen, auf die KLUG-CONSERVATION reagierten musste, da deren Einfluss auf die Alterung der Papierfaser nicht ausreichend untersucht ist. In Werbeprospekten und anderen Publikationen ist seit vielen Jahren immer wieder die Behauptung zu lesen, Papiere aus Baumwollzellulose gefertigt seien haltbarer als solche aus Holzzellstoff. Im Folgenden lesen Sie eine Stellungnahme zum Thema „Verwendung von Baumwollzellstoffen für die Langzeitarchivierung".

Die Fine Art Trade Guild (Trade Association for the Art and Framing Industry) und einige Wettbewerber vertreten die Meinung, dass Passepartoutkarton für den Museumsbereich und gemeint ist damit für die Langzeitlagerung, aus Baumwollzellulose hergestellt werden sollte. So schreibt die Fine Art Trade Guild auf Ihrer Internetseite zum Thema Verwendung von Baumwolle „Cotton Museum Board is the only standard of mountboard suitable for Museum level framing.“ Nur die Verwendung von Materialien auf Basis von Baumwollfasern erfülle die Anforderungen für den höchsten Schutz empfindlicher Kulturgüter. Die Meinung, dass es sich bei Baumwollfasern, welche für die Herstellung von Papier und Karton eingesetzt werden, um eine Zellulosefaser aus dem „textilen“ Teil der Baumwollpflanze handle, ist - einige Spezialpapiere wie Banknotenpapier ausgenommen - falsch. Die Ansicht, dass es sich bei Baumwollfasern um eine grundsätzlich andere Art von Faser, im Unterschied zu einer Zellulosefaser, hergestellt aus den Grundstoffen Holz bzw. anderer Pflanzenteile, wie Gräser oder Blätter handele, ist ebenso falsch.

Dazu zunächst einige technologische Klarstellungen:

Hadern, auch Lumpen genannt werden grundsätzlich aus Textilien, also schon verarbeiteten, pflanzlichen oder tierischen Fasern hergestellt. Früher waren dies überwiegend Flachs- und Hanffasern, später Baumwollfasern. Baumwollkarton, wird nicht aus Hadern hergestellt sondern aus Linterszellstoff.

Die sichtbaren, langen Fasern der Baumwollpflanze (12 bis 50 mm) werden ausschließlich als Textilfaser verwendet. Baumwollzellstoff für Spezialpapiere - dazu zählt Passepartoutkarton nicht - wird aus Hadern, also vorverarbeiteten Baumwollfasern gewonnen.

Baumwoll-Linters, der Rohstoff für Papier und Karton sind kurze Baumwollfasern, die am Baumwollsamenkern anhaften nachdem das lange Samenhaar (Baumwolle) vom Kern entfernt worden ist. Diese stärker verunreinigten Haare werden ein- (first cut) oder mehrmals (second cut) abgeschnitten.

Wegen der Verunreinigungen müssen sie gekocht und gebleicht werden. Sie sind in der Faserlänge (1 bis 6 mm) und im Reinheitsgrad stark verschieden, nicht spinnbar und da es sich um einen in der Textilindustrie nicht verwertbaren Reststoff handelt, sehr preiswert zu beschaffen. In der Papierindustrie werden sie insbesondere für weiche und saugfähige Qualitäten eingesetzt.

„Hadernhaltige Papiere“ haben meist aus werblichen Gründen einen Zusatz von 5 bis 10% Baumwoll-Linters. Eine funktionale Bedeutung liegt nicht vor. Sie bestehen aus ca. 90% Zelluloseanteil (Alphazellulose) Holzzellstofffaser (ECT) (Rest Hemizellulose) und aus 5-10 % Fasern aus Baumwoll-Linters.

KLUG-CONSERVATION hat von einem unabhängigen Forschungsinstitut, der Papiertechnischen Stiftung PTS Heidenau, den wissenschaftlichen Unterschied von Baumwoll-Zellulosefaser und Zellulosefaser aus Holz untersuchen und beschreiben lassen. Lesen Sie dazu den beiliegenden Bericht von Herrn Dr. Klaus Eberhard.

Anzumerken bleibt, dass in der Untersuchung von Dr. Eberhard lediglich die „jungfräulichen“ Zellulosefasern beurteilt werden. Bei der Produktion von Papier oder Karton werden diese Fasern gekürzt und gequetscht (gemahlen), mit Füllstoffen, Leim, Farben und einer Reihe von Chemikalien befrachtet. Auf der Papiermaschine werden sie getrocknet, wiederbefeuchtet (Leimpresse) und wieder getrocknet, schlussendlich nochmals gequetscht d.h. geglättet oder satiniert. Die marginalen Unterschiede der beiden Zellulosefasertypen werden durch diesen Fertigungsprozeß weitestgehend ausgeglichen. Deutlich wird dies bei der Untersuchung der Kappazahl (zeigt den jeweiligen Anteil an oxydierbaren Bestandteilen an) dreier verschiedener auf dem Markt verfügbarer Museumskartonsorten:

• Karton aus Baumwollfasern „Sorte 1“ - Kappawert 0,54
• Karton aus Baumwollfasern „Sorte 2“ - Kappawert 0,55
• Karton aus Holzzellstoff „Qualität 01705“ - Kappawert 0,56.

Beide Faserntypen (Baumwollzellstoff und Holzzellstoff) haben zunächst ein ausreichendes Festigkeitspotential um den Anforderungen der Weiterverarbeitung zu genügen. Entscheidend ist, dass bei der Papier- und Kartonproduktion darauf geachtet wird, dass keine endogenen Schadstoffe wirksam werden und die exogenen Schadstoffe keine Abbaureaktionen verursachen können. Dafür ist es von Bedeutung, dass die technologischen Entwicklungen der Papierproduktion frühzeitig erkannt werden um ggf. gegensteuern zu können. Die Papierindustrie beachtet bei Weiterentwicklungen in keiner Weise die Belange der Haltbarkeit von Papier und Karton. Die konsequente Beachtung der DIN ISO 9706 ist immer noch eine gültige Richtschnur für die Herstellung haltbarer und konservierender Papier- und Kartonqualitäten für die Langzeitarchivierung.

Gerne würden wir Ihre Meinung zu diesem Thema erfahren. Bitte schreiben Sie uns oder sprechen/ diskutieren Sie mit unserem Papiermacher Dipl. Ing. Günther Wegele. Sie erreichen ihn per E-Mail oder Montag bis Freitag von 9.00 bis 12:00 Uhr unter der Telefonnummer +49 (0)08323 9653 39.
 

PDF dieser Seite erstellen